Wilhelm-Conrad-Röntgen-Mittelschule Weilheim in Oberbayern
Der Vortrag von Rolf Schleich, Schulleiter der Mittelschule gab ein paar Einblicke in die TikTok-Welt der Schülerinnen und Schüler und in die täglichen Herausforderungen, die damit mit dem Schulalltag verbunden sind.
►Weilheimer Tagblatt vom 06.03.25
Mittelschule Weilheim: Eine aufgebrachte Mutter kommt ins Büro des Schulleiters. Ihr 13-jähriges Kind chatte mit einem fremden Mann. Die Schülerin wird zur Rede gestellt und erklärt ohne Umschweife, dass sie mit dem 53-Jährigen über Sexualität spricht – und ihn im Rahmen einer „Challenge“ um „Dick Picks“ gebeten hat. Ein Vorfall, der Schulleiter Rolf Schleich „nachhaltig schockiert“.
Es sind solche Geschichten, die Rolf Schleich vom Liebhaber zum Kritiker moderner Medien gemacht haben. Seit acht Jahren beschäftigt er sich in der Schule und privat intensiv mit dem Thema, hält Vorträge an Partnerschulen und engagiert sich stark für mehr Medienkompetenz in Weilheim. Er ist Bildungsexperte, aber inzwischen fragt auch er sich: „Verstehe ich die Lebenswelt der Schüler noch?“
Unter dem Titel „Kindheit im Netz – das Social-Media-Experiment“ berichtet Schleich vor 70 Interessierten, Lehrern und Eltern von seinen Erfahrungen. Er berichtet von Abstimmungen im Klassenchat, bei denen der Tod von Lehrern gewünscht wird, ohne dass die Beteiligten auch nur das geringste Unrechtsbewusstsein zeigen; von modernen Mutproben wie der „Blackout-Challenge“, bei der man sich selbst würgen muss – natürlich gefilmt für die sozialen Medien – oder der aktuell beliebten „Paracetamol-Challenge“, bei der man so viele Tabletten wie möglich schlucken muss.
Meist, so Schleich, „ploppen die Sachen einfach bei den Kindern auf“, ohne dass sie es wollten oder danach gesucht hätten. Gewalt, Tierquälerei, Kindesmissbrauch, Pornografie, rechtsradikale oder homophobe Inhalte seien inzwischen normal, oft nur ein, zwei Klicks oder eine Schulbank entfernt. „Da sind Dinge drin, die selbst gestandene Gymnasiallehrer zum Weinen bringen“, so der Schulleiter. Und er stellt die Frage: Was machen solche Inhalte erst bei 13-, 14-Jährigen, die noch mitten in der Entwicklung stecken? Aber nicht nur die Inhalte, auch das Ausmaß der Mediennutzung ist alarmierend geworden. Bildschirmzeiten von bis zu 14 Stunden pro Tag sind heute normal. Diese ständige Erreichbarkeit sei aber „Stress pur“. Schlafstörungen, Leistungsabfall, psychische Probleme seien vorprogrammiert.
Gerade in der Pubertät sei es wichtig, auch mal nachzudenken, sich zu langweilen, freizuspielen. Durch die digitale Welt sei diese Selbstfindungsphase aber in einen Rahmen verlegt worden, der keine Grenzen kenne. Dies, so Schleich, führe langfristig zu einer verkommenen, verrohten und auseinanderdriftenden Gesellschaft. Unterlegt mit Statistiken fordert er daher eine gemeinsame Antwort der Gesellschaft. An die Eltern gewandt, appelliert er zum einen, sich für die Handynutzung der Kinder zu interessieren. Auf keinen Fall das Handy wegnehmen, auch und gerade nicht, wenn diese von seltsamen Inhalten berichten. Denn das sei eher „der Jackpot, den man nutzen sollte“, so Schleich. Eltern sollten sich dann unbedingt Zeit nehmen, mit den Kindern über die Probleme sprechen und zuhören. Es gelte dann: im Team mit den Kindern nach Lösungen suchen und professionelle Hilfe bei Schulsozialarbeitern in Anspruch nehmen. Ansonsten können Eltern Alternativen schaffen, Sportvereine fördern, selbst Vorbild sein und klare Regeln aufstellen. Sie dürfen ruhig „stark, auch mal kratzbürstig“ sein.
Die Schule nimmt er in die Pflicht, mehr für die Medienkompetenz zu tun und vielleicht sogar eigene Social-Media-Experten analog zu Sozialarbeitern einzustellen. Die Politik schließlich fordert er auf, ein Problembewusstsein zu schaffen und den Jugendschutz im Netz konsequenter durchzusetzen. Insgesamt brauche es sofort Lösungen, denn „wollen wir so weitermachen?“. KI und soziale Medien veränderten unsere Gesellschaft „mit rasender Geschwindigkeit“, darauf müsse man Antworten finden. Am Ende des Abends erhielt er viel Applaus und gute Kritiken aus dem Publikum: Ein Elternteil, der das Thema schon länger verfolgt, fasste zusammen: Der Vortrag sei eine „gute Motivation, den Kampf nicht aufzugeben“.
Willi Naß
Wilhelm-Conrad-Röntgen-Mittelschule Weilheim i.OB
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